Anlässlich der bevorstehenden Fortsetzung des Schauprozesses gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange ab dem 07. September 2020 machen wir aufmerksam auf verschiedene Beiträge zu diesem historischen Fall. Hier die Übersetzung der zweiten Pressemitteilung des UN-Sonderberichterstatters über Folter, Prof. Nils Melzer, vom 01. November 2019.
UN-Experte schlägt erneut Alarm, dass das Leben von Julian Assange auf dem Spiel steht
Genf (01.11.2019) Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, hat seine Beunruhigung ausgedrückt und warnt, dass die Gesundheit von Julian Assange seit dessen Gefangennahme und Haft Anfang des Jahres immer schlechter wird, und dass sein Leben inzwischen auf dem Spiel steht.
Am 11. April 2019 wurde Herr Assange in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt, wo er bis heute festgehalten wird im Zusammenhang mit einem Auslieferungsantrag der USA. Ihm wird Spionage vorgeworfen wegen der Veröffentlichung von Beweisen für US-Kriegsverbrechen und weitere Verfehlungen der USA im Irak und in Afghanistan.
„Während die US-Regierung Herrn Assange verfolgt, weil er Informationen veröffentlicht hat über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter und Mord, genießen die für diese Verbrechen Verantwortlichen immer noch Straffreiheit“, sagte Melzer.
Der Sonderberichterstatter besuchte mit einem medizinischen Expertenteam den WikiLeaks-Gründer im Mai und berichtete, dass er „alle Symptome zeigt, die typisch sind für anhaltende psychologische Folter“, und verlangte sofortige Maßnahmen zum Schutz seiner Gesundheit und Würde.
„Aber was wir von der Regierung Großbritanniens gesehen haben, ist eine unverhohlene Missachtung der Rechte und Unversehrtheit von Herrn Assange“, sagte Melzer. „Trotz der medizinischen Dringlichkeit meines Appells und trotz der Schwere der ihnen zur Last gelegten Rechtsverletzungen hat Großbritannien keinerlei Maßnahmen ergriffen zur Untersuchung, Vorbeugung und Wiedergutmachung, so wie von internationalem Recht vorgesehen.“
Nach der Antifolter-Konvention müssen Staaten unverzüglich eine unparteiliche Untersuchung durchführen sobald es Grund zur Annahme gibt, dass Folter vorliegt. „In einer oberflächlichen Antwort, fast fünf Monate nach meinem Besuch, hat die britische Regierung ganz einfach meine Ergebnisse zurückgewiesen, ohne jegliche Absicht erkennen zu lassen, meine Empfehlungen zu berücksichtigen, oder gar ihnen zu folgen, oder die weiteren Informationen zu liefern, die angefragt wurden“, sagte der UN-Experte.
So wie von Melzer vorhergesagt, musste Herr Assange kurz nach dem Besuch des Sonderberichterstatters auf die Krankenstation des Gefängnisses verlegt werden. „Er wird weiterhin unter repressiven Bedingungen isoliert und überwacht, die in keiner Weise durch seinen Haftstatus zu rechtfertigen sind“, sagte Melzer. Er fügte hinzu, dass Herr Assange nun, da er seine Strafe für Verstoß gegen britische Meldeauflagen im Jahr 2012 abgesessen hat, einzig und allein aufgrund des schwebenden Auslieferungsverfahrens der USA festgehalten wird.
„Trotz der Komplexität des Verfahrens, das von der mächtigsten Regierung der Welt gegen ihn geführt wird, wurde Herr Assanges Zugang zu rechtlicher Beratung und Dokumenten erheblich behindert, so dass sein grundlegendes Recht auf Vorbereitung seiner Verteidigung effektiv unterminiert wurde“, sagte Melzer.
„Die eklatante und anhaltende Willkür, die sowohl die Justiz als auch die Regierung in diesem Fall an den Tag legen, weist auf eine besorgniserregende Abkehr Großbritanniens von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit hin. Hier wird ein gefährliches Beispiel gesetzt, das weiter verschärft wird durch die kürzliche Weigerung der Regierung, eine lang erwartete juristische Untersuchung durchzuführen zur britischen Beteiligung am Folter- und Auslieferungsprogramm der CIA.”
“Meiner Ansicht nach ging es in diesem Fall nie um Herrn Assanges Schuld oder Unschuld sondern einzig und allein darum, ihn den Preis zahlen zu lassen für die Veröffentlichung schwerwiegenden Fehlverhaltens von Regierungen, einschließlich mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Korruption. Wenn Großbritannien nicht umgehend seinen Kurs ändert und die unmenschliche Situation von Herrn Assange beendet, kann die anhaltende Willkür und Misshandlung ihn sehr bald sein Leben kosten.“
In seinem eindringlichen Appell an die Regierung Großbritanniens empfahl der Sonderberichterstatter dringend, die Auslieferung von Herrn Assange an die USA zu verhindern und ihn unverzüglich freizulassen, so dass er sich gesundheitlich wieder erholen und sein persönliches und berufliches Leben wieder aufbauen kann.
Schreibe einen Kommentar