Im Schauprozess gegen Julian Assange wird die Öffentlichkeit Schritt für Schritt ausgeschlossen. NGOs ist es nicht mehr gestattet, die telefonische Einwahl zur Prozessbeobachtung zu nutzen. In Zeiten von Corona-Lockdowns bedeutet dies quasi einen Ausschluss der Öffentlichkeit.
Nachdem vom 07. September bis 01. Oktober 2020 der Schauprozess gegen Julian Assange im Zentralen Strafgerichtshof “Old Bailey” in London in die zweite Runde gegangen war, wird das Urteil zu der von den USA geforderten Auslieferung erst im neuen Jahr erwartet. Die vorsitzende Richterin Vanessa Baraitser hatte angekündigt, ihr Urteil erst nach den US-Wahlen bekanntgeben zu wollen. Am 04. Januar 2021 will sie ihre Entscheidung verkünden.
Bei einer Auslieferung erwarten den WikiLeaks-Journalisten bis zu 175 Jahre Isolationshaft und psychologische Folter in einem so genannten Supermax-Gefängnis in den USA, wie durch Zeugenaussagen während der Anhörungen im September nochmals verdeutlicht wurde.
Bis zur Urteilsverkündung muss spätestens alle 28 Tage eine administrative oder technische Anhörung stattfinden, damit Julian Assange weiter in Auslieferungshaft im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gefangen gehalten werden kann.
Die technische Anhörung am 29.10.2020 – zunächst für 10 Uhr geplant, dann kurzfristig auf 14 Uhr (Ortszeit) verschoben – dauerte nur 2 Minuten.
Die Anhörung wurde nicht wie bisher von Vanessa Baraitser geleitet sondern vom stellvertretenden Oberrichter Tan Ikram. Für den Wechsel wurde kein Grund genannt.
Der persönlich anwesende Verteidiger Fitzgerald beantragte eine 7-tägige Verlängerung der Frist für die Einreichung des Schlussplädoyers der Verteidigung, das ansonsten am folgenden Tag, 30.10.2020, fällig wäre. Die US-Anklage vertrat Joel Smith.
Persönlich anwesend war auch Assanges Vater John Shipton.
Julian Assange wurde per Videolink zugeschaltet, und durfte nur kurz sprechen, um seinen Namen und Geburtsdatum zu nennen.
Besorgniserregend ist die Entwicklung, dass künftig NGOs von der Teilnahme per Telefon-Einwahl ausgeschlossen werden. Bereits am 29.10.2020 war die einzige Möglichkeit, die Anhörung zu beobachten, das persönliche Erscheinen vor Ort, in der Hoffnung, einen der wenigen Plätze auf der Besuchertribüne zu ergattern. Für die Öffentlichkeit UND Familienangehörige stehen inzwischen nur noch insgesamt 6 Plätze zur Verfügung. Die Leiterin des Londoner Büros von Reporter ohne Grenzen, Rebecca Vincent, schaffte es zur Anhörung in den Gerichtssaal und berichtet im Video über ihre Eindrücke:
Im zweiten Video berichtet John Shipton dem Journalisten Mohamed Elmaazi über die Ursache für die beantragte 7-tägige Fristverlängerung für das Schlussplädoyer: Julian Assange hat zwar das Recht, den Entwurf des Plädoyers im Vorfeld zu lesen, aber die Verantwortlichen des Hochsicherheitsgefängnisses Belmarsh haben es bisher nicht geschafft, ihm den Laptop auszuhändigen, auf dem das Plädoyer gespeichert ist.
Vor Ort am Westminster Magistrates‘ Court waren zahlreiche Aktivist*innen anwesend, um gegen die grausame Behandlung von Julian Assange zu protestieren:
Im Anschluss gab es zudem weitere Proteste vor der US-amerikanischen Botschaft in London:
Die nächste technische Anhörung ist angesetzt für den 26. November 2020 um 11.45 Uhr (Ortszeit).
Vielen Dank an Mohamed Elmaazi, Rebecca Vincent, Tareq Haddad, das Julian Assange Defence Committee und Alison Mason für die Berichterstattung auf Twitter.