Nachfolgend finden sich verschiedene Fragen an Kandidat/innen zur Wahl des Deutschen Bundestags am 26. September 2021. Die Fragen sind als Hilfe bei der Wahlentscheidung gedacht.

Wir empfehlen, dabei genau zu berücksichtigen, welche Positionen die Kandidat/innen an den Tag legen zu den Fragen der Menschenrechte, Presse-/Meinungsfreiheit, unabhängigen Justiz und zum Fall von Julian Assange.

Wir bitten darum, die Antworten festzuhalten und uns zukommen zu lassen unter:
info@freeAssange.eu.


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Liste aller Wahlprüfsteine

Die Fragen sind nach Themen sortiert und bestehen je aus einem Hintergrund- und Frageteil.
Diese Fragen wurden unabhängig voneinander formuliert und sind beliebig miteinander kombinierbar.
Sollte man kürzen oder abändern wollen, sind die Fragen zu diesem Zweck oben im .doc-Format anhängig.

I. Pressefreiheit

P 1
HINTERGRUND
Die USA werfen dem Journalisten Julian Assange Spionage vor. Die Vorwürfe beziehen sich im Wesentlichen darauf, dass der Journalist Informationen über Kriegsverbrechen des US-Militärs in Afghanistan und im Irak, öffentlich gemacht hat. Diese Verbrechen sind bislang nicht geahndet worden. Julian Assange hingegen wird seit bereits mehr als einem Jahrzehnt mit Diffamierung und Verfolgung bis hin zu Isolationshaft und Folter gestraft.

FRAGE
Wenn Kriegsverbrechen vertuscht werden und ungestraft bleiben, Hinweisgeber/innen und Journalisten aber wegen ihrer Enthüllungen verfolgt und misshandelt werden – ist das für Sie im Sinne von Demokratie und Pressefreiheit?

P 2
HINTERGRUND
Die Kriminalisierung der journalistischen Tätigkeit des Wikileaks-Gründers Julian Assange bedeutet aus Sicht internationaler Expert/innen und Journalistenverbände nicht nur, dass an seiner Person ein Exempel statuiert wird. Wie er kann jede/r regierungskritische Journalist/in und Verleger von jedem Staat der Welt wegen Spionage belangt werden.

FRAGE
Ist in Ihren Augen diese weltweite Einschüchterung von Pressevertreter/innen nicht insgesamt ein Angriff auf die Pressefreiheit?

II. Internationale Beziehungen

I 1
HINTERGRUND
Autoritäre Regierungen, wie in Aserbaidschan, China und auch Russland, weisen westliche Vorwürfe wegen mangelnder Pressefreiheit zunehmend zurück unter Hinweis auf die Verfolgung von Julian Assange.

FRAGE
Sind Sie der Meinung, dass das Auslieferungs-Verfahren gegen Julian Assange der internationalen Glaubwürdigkeit der westlichen Wertegemeinschaft Schaden zufügt?

I 2
HINTERGRUND
Herr Assange ist Australier. Er hat nicht von den USA aus agiert. Er hat ausschließlich journalistische Arbeit im Sinne von Aufklärung, Frieden und Völkerverständigung geleistet. Seine Gefangenschaft erfolgte in London, nicht in den USA. Sollte Herr Assange ausgeliefert werden, müsste in Zukunft jede/r Journalist/in, die/der brisante Dokumente veröffentlicht, befürchten, überall auf der Welt deswegen verfolgt zu werden.

FRAGE
Welches Signal senden Ihrer Meinung nach die involvierten Staaten mit der Verfolgung von Julian Assange an den Rest der Welt?

I 3
HINTERGRUND
Mit großem Druck auch auf andere Länder versuchen die USA, durch den Assange-Fall, Journalismus zur Spionage zu erklären. So werden überall demokratische Grundrechte von Journalisten verletzt.
Deutschen Autoren, wie z.B. John Goetz (NDR), Michael Sontheimer (DER SPIEGEL) oder Michael Lüders (ehem. DIE ZEIT), die sich auf Informationen von Wikileaks bezogen, können alsbald ebenso bedroht sein.

FRAGE
Ist die Aufkündigung etwaiger Auslieferungsabkommen mit den USA für Sie ein ausreichender Schutz für deutsche Hinweisgeber/innen und Journalist/innen?

I 4
HINTERGRUND
Parallel zum Fall von Assange erklärte die türkische Regierung 2020 die Arbeit des türkischen Journalisten Can Dündar, der über Waffenlieferungen der Türkei an syrische Terroristen berichtet hatte, zur Spionage.
Herr Dündar hat in Deutschland Asyl erhalten. Die türkische Regierung verurteilte ihn in Abwesenheit und forderte seine Auslieferung.

FRAGE
Ist diese Parallele Ihrer Einschätzung nach ein Hinweis darauf, dass auch die Türkei sich am Vorgehen der USA gegen den Journalisten Assange orientiert?

I 5
HINTERGRUND
In den Fällen Navalny und Protassewitsch hat die deutsche Regierung zeitnah und mit scharfen Worten und Drohungen reagiert. Im Fall von Assange gibt es von der Regierung nur „dröhnendes Schweigen“.

FRAGE
Sind Sie der Ansicht, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird? Sollte man bei verbündeten Regierungen im Hinblick auf Menschenrechte nicht den gleichen Maßstab ansetzen wie bei nicht-verbündeten?

III. Rechtsstaatlichkeit

R 1
HINTERGRUND
Im Fall von Julian Assange gibt es unzählige Rechtsbrüche; zum Beispiel:

  • Er, seine Anwälte und seine Besucher/innen wurden systematisch ausspioniert.
  • Die leitende Richterin Arbuthnot im britischen Auslieferungsverfahren ist nachgewiesenermaßen befangen.
  • Der Kronzeuge der USA, Thordarson (ein verurteilter Krimineller), gab jüngst zu, von den USA, bestochen worden zu sein und gelogen zu haben.
  • Schweden hat Ermittlungen über Jahre hinweg in die Länge gezogen und zum Rufmord benutzt.
  • Die Haftumstände in Großbritannien sind menschenrechtswidrig.

FRAGE
Was würden Sie konkret und umgehend tun, um einen demokratisch fairen Prozess zu ermöglichen?

R 2
HINTERGRUND
Es gibt etliche Anhaltspunkte und Beweise dafür, dass Herr Assange keinen fairen Prozess erhält.
Trotzdem wird dieser Fall weitergeführt. Als Vergleich dazu: Im Prozess gegen Pentagon-Whistleblower Daniel Ellsberg 1973 wurde das Verfahren eingestellt, als der Versuch einer Rufmordkampagne bekannt wurde.

FRAGE
Denken Sie, dass die belegten Prozessmanipulationen in GB gegen Herrn Assange zu einer sofortigen Einstellung des Verfahrens führen müssen?

R 3
HINTERGRUND
Von insgesamt 30 Artikeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte werden mindestens 11 im Fall von Julian Assange verletzt:
Art. 3 Recht auf Leben und Freiheit; Art. 5 Verbot der Folter; Art.7 Gleichheit vor dem Gesetz; Art. 9 Schutz vor Verhaftung und Ausweisung; Art. 10 Anspruch auf faires Gerichtsverfahren; Art. 11 Unschuldsvermutung, Art. 12 Freiheitssphäre des Einzelnen; Art. 14 Asylrecht, Art. 15 Recht auf Staatsangehörigkeit, Art.17 Recht auf Eigentum, Art. 19 Meinungs- und Informationsfreiheit

FRAGE
Halten Sie es für normal, dass in einer Demokratie die Menschenrechte eines Journalisten in ganzen 11 Punkten über mehr als ein Jahrzehnt hinweg verletzt werden? Sehen Sie Handlungsbedarf?

R 4
HINTERGRUND
Prof. Nils Melzer hat auch der deutschen Regierung gegenüber deutlich gemacht dass es im Fall Assange an Rechtsstaatlichkeit mangelt. Sowohl die Unschuldsvermutung wie das Recht auf einen fairen Prozess, das Folterverbot wie die Pressefreiheit werden direkt angegriffen.
Dennoch verläßt sich die deutsche Regierung darauf, Assange bekomme in GB ein rechtstaatliches Verfahren.

FRAGE
Haben Sie sich mit dem Fall Assange befasst und welchem Urteil stimmen Sie zu?
Können Sie anhand der Beurteilungen von Prof. Melzer der Behauptung der deutschen Regierung folgen?

IV. Demokratie

D 1
HINTERGRUND
Für eine lebendige Demokratie sind Transparenz und Kontrolle unerlässlich, wie sie von Whistleblowern und investigativen Journalisten ermöglicht wird. Beide Gruppen sehen sich durch die Verfolgung von Julian Assange ebenfalls bedroht.

FRAGE
Bedürfen Whistleblower und investigative Journalisten Ihrer Meinung nach eines besonderen Schutzes?

D 2
HINTERGRUND
Regierungen und Geheimdienste entziehen sich zunehmend der Rechenschaftspflicht und Transparenz, und damit der öffentlichen Kontrolle.

FRAGE
Wie weit darf Ihrer Meinung nach der nicht kontrollierbare Handlungsspielraum für Regierungen und Geheimdienste gehen?
Ist es z.B. für Sie zulässig, Gründe für Kriegseinsätze zu erfinden (siehe Massenvernichtungswaffen im Irak), Korruption zu vertuschen oder regierungskritischen Journalismus zur Spionage zu erklären?

D 3
HINTERGRUND
In den USA und in GB gibt es Gesetze, die genutzt werden, um regierungskritischen Journalismus zu Spionage zu erklären und strafrechtlich zu verfolgen.(USA: Espionage Act, GB: Official Secrets Act).

FRAGE
Sind Gesetze dieser Art, die sich gegen die Presse und damit gegen die „Vierte Gewalt“ in einer Demokratie richten, in Ihren Augen vereinbar mit dem Prinzip der Gewaltenteilung?

D 4
HINTERGRUND
WikiLeaks ist ein einzigartiges digitales Portal, das der Öffentlichkeit seit 2006 mehr wichtige Informationen bereitgestellt hat als der investigative Journalismus jemals zuvor. Die Plattform veröffentlicht gesellschaftlich relevante, geheim gehaltene Original-Dokumente.
Zudem ist WikiLeaks eine Schnittstelle zwischen anonymen Whistleblowern, investigativen Journalisten/innen einerseits, Verlagshaus und anderen (großen) Medienhäusern andererseits.

FRAGE
Erachten Sie eine Plattform wie WikiLeaks als wertvoll für die freie Meinungsbildung?

V. Konkrete Veröffentlichungen

V 1
HINTERGRUND
Zur öffentlichen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen nach dem 11. September 2001 werden auch künftig die Informationen und Veröffentlichungen von WikiLeaks und deren Medienpartnern einen wesentlichen Anteil beitragen.

FRAGE
Wie wichtig finden Sie eine öffentliche Aufarbeitung von Kriegsverbrechen, ähnlich den Nürnberger Prozessen?
Was werden Sie dafür tun, dass die für die Aufarbeitung benötigten Informationsquellen (WikiLeaks u.a.) besonderen Schutz erfahren?

V 2
HINTERGRUND
Der US-Geheimdienst hat 2003 den deutschen Staatsbürger Khaled al-Masri aufgrund einer Verwechslung entführt, verschleppt und über Monate hinweg gefoltert.
Öffentlich bekannt geworden ist dieser Fall durch Wikileaks und dessen Gründer Julian Assange sowie des deutschen Journalisten John Götz (DER SPIEGEL). Die deutsche Regierung hat geschwiegen. Julian Assange wird von den USA seit nun über zehn Jahren verfolgt und der angeblichen Spionage bezichtigt. GB hält ihn im Hochsicherheitsgefängnis – ohne Anklage – in Isolationshaft fest. Die deutsche Regierung schweigt.

FRAGE
Finden Sie es vertretbar, dass der souveräne Staat Deutschland Misshandlungen seiner Staatsbürger durch ausländische Geheimdienste, siehe Khaled al-Masri, zulässt?
Und ist es für Sie rechtens, dass Deutschland an massiven Menschenrechtsverletzungen durch militärische Verbündete teilnimmt, wie im Fall des Journalisten Julian Assange?


Danke.