Seit dem 27. April 2022 gehen wir, bis auf einzelne Ausnahmen, jeden Tag auf die Straße, um Menschen auf die Gefangenschaft und die drohende Auslieferung Julian Assanges aufmerksam zu machen, wieder zu erinnern und zu informieren.

Ich, Raja, trage dabei einen orangenen Häftlingsanzug, einen Zettel um den Hals mit der Botschaft „We are Assange“ und ein Schild, das zeigt, wie viele Tage Assange schon im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gefangengehalten wird, eine bereits vierstellige Zahl, die sich täglich um eine oder zwei Ziffern ändert. Ich setzte mich dafür in ein durch Maßbänder abgestecktes Rechteck der Größe 2 mal 3 Meter, welches Assanges Zelle darstellen soll. Mit der Zeit ist eine Foto-Kampagne daraus entstanden. Alle Passanten, die ebenfalls die Freilassung Assanges fordern, dürfen zu mir in die Zelle kommen und selbst ein Statement hochhalten, das für sie in diesem Fall bedeutsam ist. Es ist jeder dazu eingeladen, ein persönliches Statement zu verfassen. Ansonsten kann ein bestehendes ausgewählt werden, wie zum Beispiel „my Right to know“, „my free speech“, „my human rights“ etc. Besonders schön finden wir, dass die Menschen, die mitmachen und wirklich von dem Fall überzeugt sind, alle ganz unterschiedlich sind.

Raja, 2022)

Wir wollen mit diesen Bildern veranschaulichen, dass es hier um uns alle geht. Es sind unsere Werte, unsere Rechte und auch unsere Möglichkeiten und Chancen, die hier auf dem Spiel stehen und so gesehen auch wir, die mit Assange verfolgt und bedroht werden. Und wir wollen zeigen, wie viele unterschiedliche Menschen entschieden gegen die Verfolgung und Inhaftierung Assanges sind.

Außerdem wollen wir mit der Aktion zeigen, dass jeder etwas tun kann und andere dazu inspirieren, sich ebenfalls irgendwie einzusetzen. Und wenn dies nur darin besteht, die Nachricht in irgendeiner Form weiter zu verbreiten. Dies zeigen wir dadurch, dass wir diese Aktion selbst als einfache Privatpersonen, unabhängig und mit ganz einfachen Mitteln machen. Außerdem möchten wir Menschen, dadurch, dass sie sich selbst mit einem Statement hinstellen, dazu anstoßen und ihnen gleichzeitig auch die Chance geben, Position zu beziehen.

Das hauptsächliche Ziel der Aktion ist es, Aufmerksamkeit für das Thema zu erzeugen.
Wir hoffen, dass die Fotos und damit auch Aufmerksamkeit für das Thema sich um die Welt verbreiten. Neben den Leuten, die sich mit mir fotografieren lassen, fotografieren auch täglich einige mehr unsere Aktion. Und mit vielen kommen wir täglich ins Gespräch. Die meisten wissen nur vage über den Fall Bescheid, gut die Hälfte von denen, mit denen wir sprechen, haben tatsächlich noch nie von Assange oder WikiLeaks gehört.

Daneben geht es aber auch darum, Solidarität zu zeigen. Was auch immer Assange für eine Persönlichkeit ist, wir können zu keinem anderen Schluss kommen, als dass er aus Gewissen gehandelt haben muss. Was er getan hat, ist eine solidarische Tat und war von großer Wichtigkeit für uns alle.
Es darf unserer Meinung nach nicht passieren, dass wir es passiv hinnehmen, dass jemand dafür verfolgt und gefoltert wird. Was würde das über uns aussagen?
Und wie können wir es überhaupt zulassen, dass bei der Verfolgung eines Einzelnen sämtliche Menschenrechte verletzt werden?
Ich finde es daher wichtig, Assange gegenüber Solidarität zu zeigen. Einmal für ihn und seine Angehörigen.
Aber auch für alle, die gleich empfinden und für uns selbst.

Natürlich steht bei dieser Aktion der Name Julian Assange gewisser Weise im Mittelpunkt. Es geht hier aber nicht darum, seine Persönlichkeit darzustellen, sondern eher um seine Rolle als Mensch und wie diese auch mit uns verbunden ist: Was seine Arbeit für uns bedeutet, genauso wie das Unrecht, das ihm widerfährt und was es bedeuten würde, wenn wir dieses Unrecht zulassen.

Raja, 2022)

Für uns persönlich ist die Sache so wichtig, weil WikiLeaks für etwas unglaublich Wichtiges steht: Transparenz und wahre Informationen. Egal, welches Thema uns am Herzen liegt, die Wahrheit ist die notwendige Grundlage. Außerdem können wir es nicht ertragen, diese Ungerechtigkeit, die Assange widerfährt, einfach so hinzunehmen. Zudem zeigt die Verfolgung Assanges noch einmal besonders deutlich, wie sehr wir eine wirklich kritische Presse brauchen, weil auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien durch Regierungen eben nicht blind zu vertrauen ist.
Die Bilder werden regelmäßig auch bei Instagram und Twitter hochgeladen.

Es ist noch kein Ende für die Aktion geplant. Sie läuft, solange wir durchhalten. Im Moment können wir uns nicht vorstellen, damit aufzuhören.


Titelbild: (© Raja, 2022)